Die Aufgabe unseres Bauernhauses in Burgdorf, ein Umzug nach Berlin, der Abschied vom Arbeitsleben und eine vorübergehende Wochenendehe haben mein Leben auf den Kopf gestellt. Nichts ist mehr wie es war. Das finde ich schön und spannend und freue mich über jeden Tag, den ich nach eigenem Ermessen ohne Fremdbestimmung gestalten kann. Noch hat sich keine wirkliche Routine eingestellt. In der neuen Wohnung ist noch nicht alles "fertig". Das ist auch gut so: alles wächst sich zurecht. Mit viel Zeit kann ich einfach abwarten, wann mein Gefühl mir sagt, welches Möbelstück fehlt, welches zu viel ist. Welche Dekoration passt, welche nicht. Ich bin selbst gespannt, wie es am Ende sein wird.
Eines nur beunruhigt mich: durch die viele Arbeit mit der Haushaltsauflösung und dem Umzug und den Fokus auf das neue Leben in Berlin, ist meine "Leserate" deutlich gesunken. Schon lange habe ich nicht mehr ein Buch nach dem anderen verschlungen. Von meinen vielen Büchern musste ich den größten Teil wegen Platzmangels weggeben. Gott-sei-Dank ist meine Tochter ein ebenso großer Bücherfan wie ich und hat meinen Büchern Asyl gewährt. Sie sind also nicht ganz aus meinem Leben verschwunden.
Nun hoffe ich sehr, dass meine Leselust wieder wächst. Im Moment scheint es so, als würde meine alte Liebe Thomas Mann mir dabei helfen! Zu Weihnachten bekam ich "Die Manns- Geschichte einer Familie" von Tilman Lahme geschenkt. Eine weitere von vielen Biografien über Deutschlands berühmteste Literatenfamilie. Mit den meisten Ereignissen und Lebensgeschichten des Zauberers und seiner Kinder bin ich schon bekannt. Sei es die Biografie von Klaus Harpprecht, die Katia Autobiografie, Erika Manns "Mein Vater, der Zauberer" oder die Aufzeichnungen der Schwiegermutter Hedwig Pringsheim "Meine Manns". Alles habe ich schon verschlungen. Man möchte meinen, es gäbe nicht Neues mehr. Aber hier wartet Tilmann Lahme mit etwas auf, was einem selbst wegen der Vielzahl der unterschiedlichen Informationen nicht gelingen mag: er verknüpft die Ereignisse im Leben der verschiedenen Manns, setzt sie ins Verhältnis zueinander und man bekommt mehr Gefühl dafür, wie diese Familie wohl "getickt" hat, wie unterschiedlich die Perspektiven auf die Ereignisse sind. Vor allem auch wie die unscheinbaren Kinder Golo und Monika sich im Reigen der prominenten Familienangehörigen gefühlt haben. Die Manns: aus meiner Sicht keine liebende Familie, keine wertschätzenden Eltern. Intellektuell, anspruchsvoll, prätentiös. Schonungslos bis beleidigend offen, unehrlich und geheimnisvoll, liberal und konservativ großbürgerlich zugleich. Alles in allem: widersprüchlich. So ist und wird diese Familie immer interessant sein und wird wohl noch Jahrzehnte (oder gar Jahrhunderte?) weiteren Stoff für Biografen, Familienforscher, Psychologen usw. bieten. Und für mich und viele andere wird der interessante Lesestoff nie ausgehen. Vielen Dank, liebe Manns, Sie haben mir den Weg zurück zum Lesen bereitet!
1 Kommentar:
Das Buch hat meine Hoffnungen erfüllt: ich bin wieder in den Lesemodus zurückgekehrt! Tilman Lahme hat in seinem Buch über die Familie viele Informationen über und von der Familie Mann zusammengetragen, die auch für Mann geprüfte Leser neu sind. Das Netz des Zauberers wird mithilfe der unterschiedlichen Betrachtungwinkel der Familienmitglieder transparenter und verstehbarer. Michael und Elisabeth, die in vielen vorangegangenen Biographien kaum in Erscheinung treten, nehmen hier Gestalt an. Lediglich Monika bleibt im Dunkel, huscht gelegentlich vorbei, bleibt aber unverstanden und konturlos. Erschütternd aber ist, wie die Eltern und die prominenten Geschwister über die Geschwister reden, die es offensichtlich schwer haben, sich in dieser Familie zu behaupten. Ein kurzweiliges, interessantes Buch nicht nur für eingeschworene Fans aber ein must read für Mannliebhaber.
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