Dienstag, 15. Juni 2021

Der weiße Ovambo von Nils Ole Oermann

 


Auf das Buch „Der weiße Ovambo“ wurde ich im Rahmen meiner Ahnenforschung aufmerksam, denn Peter Pauly, die Hauptperson des Buches, wurde in Breslau in der Straße geboren, in der mein Vater als damals 6jähriger aufwuchs.

Auf nur 228 Seiten wird von wesentlichen Ereignissen des langen und ungewöhnlichen Lebens von Peter Pauly berichtet. Mit Humor und ohne Verbissenheit oder erhobenen Zeigefinger erfährt man vom privilegierten Aufwachsen und Lausbubendasein, das ein plötzliches Ende findet, als die Rassengesetze der Nationalsozialisten die evangelische Familie zu jüdischen Mischlingen deklariert und damit der Verfolgung aussetzt. Die angestrebte akademische Karriere an dem inzwischen zur Napola umgewidmeten Internat musste ins Wasser fallen.

Über ein unvermutetes Angebot in Afrika eine Kaffeeplantage zu beaufsichtigen begann die lebenslange Liebe zum afrikanischen Kontinent und seinen Menschen. Wenngleich Peter Pauly, wie alle Weißen, ein privilegiertes Leben in herausgehobener Stellung hätte führen können, empfand er das Unrecht der Apartheid und die schlechte Behandlung der Schwarzen beschämend. In vielen brenzligen Situationen stellte er sich mutig auf die Seite der Verfolgten und Benachteiligten. Seine Sorge galt der Verbesserung der Lebensbedingungen der Einheimischen. Seine Liebe zu den fröhlichen und trotz aller Sorgen und Nöte zuversichtlichen Einheimischen wurde zur lebenslangen Bindung an seine neue Heimat. In fortgeschrittenem Alter heiratete er in politisch schwierigen Zeiten eine schwarze Pastorin und wurde in deren Stamm aufgenommen. Schließlich anvancierte er sogar zum Stammesältesten und hatte für Groß und Klein, Alt und Jung im großen Stammesverband Sorge zu tragen.

Das Buch ist keine gesellschaftspolitische oder sozialkritische Abrechnung mit der Unterdrückung und dem Unrechtssystem im südlichen Afrika. Viel mehr ist es eine Hommage an Mitmenschlichkeit, Nächstenliebe, Empathie und Zivilcourage. Und die bewundernswerte Resilienz eines mittlerweile 104jährigen Mannes, der in all seinen Höhen und Tiefen nie den tiefen Glauben an die Menschen oder gar seinen Humor verloren hat. Der Autor hat in seinen Interviews dem alten Herrn offensichtlich so aufmerksam gelauscht, dass man das Gefühl hat, dieser  erzähle einem persönlich seine Lebensgeschichte.

Die innere Haltung und Selbstreflexion dieses außergewöhnlichen Menschen wird bei seiner üblichen Antwort auf die Frage, wie es ihm gehe, auf einfache Weise deutlich: stets ein munteres

„Danke. Unverdient gut.“